Hinter der rein spontan wirkenden Malerei des gebürtigen Arnstädters Stefan Kretschy ist eine solide Ausbildung ebenso unverkennbar wie die deutliche Begabung für eine expressive Komposition und Farbsprache:
Das bildnerische Handwerk als Basis erwarb er beim nicht nur in Thüringen bekannten Altmeister der Zeichnung und Grafik Otto Knöpfer und während seines Studiums der Kunsterziehung an der Universität Erfurt u. a. bei Lutz Gode und Rolf Huber, wie auch an der Universität Jena.
Der inzwischen selbst über einige Jahre als Lehrer im künstlerischen Bereich Tätige hat sich allerdings von den Vorbildern seiner Studienzeit gelöst und geht einen deutlich eigenen Weg.
Figuratives – Köpfe, Gestalten, Landschaftsstrukturen – sind ihm eher Anlass zum Erfinden freier Bildgefüge als Zielthema eines Abstraktionsprozesses. Entscheidendes Motiv zum Arbeiten ist vor allem die Lust an Kontrasten zwischen grafischen und malerischen Elementen, leuchtenden Farbflächen und feinen Zeichengespinsten, die sich im Bildraum frei entwickeln, zwischen spannungsvoller Dramatik und ausgeglichener Ruhe in Formgefügen, die aus sich selbst heraus leben und dem Betrachter trotz Impulsen durch Bildtitel bei inhaltlichen Deutungen großen Spielraum zugestehen.
Dominanz behält in jedem Fall eine die Bildfläche differenziert gliedernde Linearität, die zugleich als entscheidender Träger des charakteristischen Gesamtausdrucks jeder Arbeit dient: Kraftvoll oder zart, meist spröde oder sogar schroff formuliert, steht sie oft im Gegensatz zu den klaren und im Duktus pastos-saftig aufgetragenen Farbflächen und erzeugt damit eine ganz besondere ästhetische Spannung.
Die Überlagerung und Durchdringung verschiedener Bildebenen steht dabei modellhaft für das Aufspüren und Verbinden unterschiedlicher Sinnschichten des Wirklichen, Gesehenen wie auch des Fiktiven von Traum und Vision.
Stefan Kretschy sucht, wie er selbst sagt, auf den experimentellen Wegen der Kunst den Charakter und das Rätselhafte hinter den Dingen zu ergründen.
„Durch das teilweise Übermalen und Zerstören gefundener Formen bleibt etwas sichtbar und Neues kommt hinzu, der Sinnzusammenhang ändert sich. Der Zeit wird so Raum zur Entfaltung gegeben, expressive und belebte Formverdichtungen stehen im Wechselspiel mit ruhigen Farbflächen, Spannungen entstehen.“
So erscheint jede Arbeit in der bewussten Offenheit ihrer Bildstruktur als Teil eines fortschreitenden Erkenntnisprozesses, in den genußvoll, doch auch mit wachem Verstand einzutreten der Betrachter aufgefordert wird.
Auch diese kleine Ausstellung soll Augen und Sinne für solcherart Entdeckungen schärfen und zugleich auch einfach die Freude am spannungsreichen Spiel mit Formen und Farben wecken oder vertiefen.
Erfurt, 21.11.06 | Dr. Jutta Lindemann