Johannes Kaiser

Etage 2: Email aus den Künstlerwerkstätten

Eigentlich konnte er der Sache ja gar nicht aus dem Wege gehen, denn gab es keine Alternative für Johannes Kaiser: Großvater, Vater und Bruder Metallkünstler – hätte er da vielleicht Fleischer oder Schneider werden sollen? Keine Chance, wenn man zwischen Schraubstock und Schmiedefeuer aufwächst und später, nach gründlicher Ausbildung als Silber- und Goldschmied bei Helmut Griese, bei seinem Vater Joachim Kaiser und in Pforzheim, direkt in die väterliche Werkstatt einsteigt, fast zwangsläufig dessen Erfahrungen vor allem beim Restaurieren und Gestalten von kirchlichem Gefäß und Gerät von der Pike auf übernimmt!

 

Aber es dabei zu belassen und gewissermaßen in die Kaiserdynastie lediglich als Nachfolger in die gleichen Fußstapfen passgenau einzutreten – das lag ihm auf Dauer nicht: Da musste schon etwas Neues, Eigenes her!

 

Nach einigen Entwicklungsideen zu modernem Gefäßdesign kam mit der Entdeckung der Möglichkeiten des Industrieemails, wie es in den Erfurter Künstlerwerkstätten seit über 10 Jahren realisiert werden kann, das große Aha-Erlebnis: Angeregt durch den schon über Jahre experimentell mit diesem Metier befassten Erfurter Schmuck- und Metallkünstler Rolf Lindner bewegte er sich nun auf neuen Pfaden, und die Erkenntnis daraus vermittelt er seit einigen Jahren auch an die nächste Generation im Rahmen einer Lehrtätigkeit an der Walter-Gropius-Gestaltungsfachoberschule Erfurt. Email spielt zwar auch im liturgischen Gefäß eine Rolle, doch als Schmuckemail gehorcht es ganz anderen Gesetzen – als ein der Form untergeordnetes akzentuierendes Element wird es eher ornamental eingesetzt, in traditionellen Techniken wie Stegemail oder Grubenschmelz auf Edelmetalle aufgebracht, oft auch lasierend, um die Eigenfarben des tragenden Goldes, Silbers oder Kupfers mitwirken zu lassen.

 

Industrieemail kann und will anderes: Hier werden Material und Technik zum eigenständigen Medium eines ausschließlich bildnerisch geprägten Kunstwillens – und genau das zeigt Kaiser heute hier. Vorgeführt werden – vereint durch die Maßvorgaben von Herdabdeckplatten und anderen industriell gefertigten und von da her im Fond meist weiß voremaillierten Grundformen – die unterschiedlichen bildnerischen Wege, auf die er durch die vielfältigen Potenzen des Emaillierens gelockt wurde.

 

Da ist die malerisch–pastös vorgetragene Expressivität der Porträts und Selbstporträts, z. T. mit den Tonwert-Effekten und der betonten Körnigkeit moderner Fotografik verknüpft, zum einen. Dagegen stehen zum anderen linear-grafische oder kubistische, tektonisch durchdachte abstrakte Konstruktionen, die sich der in Erfurt inzwischen traditionell hochdotierten konkreten Kunst annähern und entweder über lasierende Farbüberlagerungen Räumlichkeit und Plastizität suggerieren (bis in die experimentelle Behandlung der Oberfläche hinein) oder über Reservierungstechniken und andere Eingriffe in die ansonsten makellose Emailhaut grafische Gliederungen von großer Leichtigkeit und zugleich klarer Strenge entstehen lassen.

 

Über den durchgängigen Themenkomplex „Struktur-Textur-Rhythmus-Metamorphose“ werden aktuelle Bildauffassungen der modernen Medienwelt wie die des Werbedesigns und der Computeranimation in ihrer extrem dynamischen Flexibilität widergespiegelt und in die ganz eigene Sprache des doch im Moment erstarrten Emails mit der besonders intensiven Leuchtkraft seiner Farbflächen übersetzt.

 

Johannes Kaiser nutzt schon seit Jahren die spezifischen Möglichkeiten der Erfurter Künstlerwerkstätten, um mit großen Formaten zu arbeiten, wie es einem Metallkünstler in der eigenen Werkstatt zumeist nicht möglich ist – Möglichkeiten, die immer wieder auch impulsgebend auf Künstler aus ganz Thüringen und aus vielen europäischen Ländern ausstrahlen, wie die alljährlichen Workshops und internationalen Symposien zum Email dort eindrucksvoll belegen (das derzeit laufende Symposium wird seine Ergebnisse von 2004 und 2005 ab Samstag im Kulturhof Krönbacken vorstellen). Und er setzt sich aus dieser persönlichen Erfahrung heraus auch immer wieder aktiv dafür ein – u. a. im Rahmen seiner Mitgliedschaft im Vorstand des Bundes der Thüringer Kunsthandwerker – dass die Möglichkeit, in diesen Werkstätten kostengünstig zu arbeiten – die vielen bildenden Künstlern zudem auch eine Tür zur Kunst im öffentlichen Raum öffnen kann – als erfurteigene Form der Künstlerförderung auch weiterhin noch so manchen Mangel auf dem Feld der direkten Zuschußförderung zu kompensieren hilft.

 

Erfurt, 19.04.05 | Dr. Jutta Lindemann