Mut für Kommendes

Wann greift der Pfad, auf dem wir wandeln,
nach unseren Schritten?

Sherlock Holmes in „Begegnung in Samarra“


Wie sicherlich die meisten Menschen hatte ich Großeltern im Doppelpack, die auch noch in derselben Kleinstadt wohnten, so dass ich in den Ferien immer wieder hin und her wechseln konnte: Die Eltern meiner Mutter besaßen ein Konditoreicafé mit Laden zur Straße hinaus und Backstube im Hinterhof, wo ich Teigschnecken rollen durfte oder beim Zaubern von Buttercremeornamenten zuschauen.

Und es gab immer kuschelige, aber fleißige Katzen zur Mäuseabwehr für die Mehlvorräte … meine ersten Lieben „Schneckchen“ und „Muschi“!
Das Haus, in dem die Eltern meines Vaters wohnten, war umgeben von zwei Gärten – einem Paradies, das mein Großvater vor dem Haus mit Blumen so bepflanzt hatte, dass zu jeder Jahreszeit frei nach Karl Foerster „durchgeblüht“ wurde. Hinter dem Haus jedoch gab es Obstbäume und -sträucher und Gemüsebeete in Hülle und Fülle, umgeben von dunkel leuchtenden Hortensien, meterhoch wippenden Goldköpfchen und stolzen Nachtkerzen. Mittendrin stand ein im Dunkeln magisch beleuchtetes transparentes Gartenzimmer aus Holzlatten, rundum mit Weinlaub bewachsen, in dem gegessen, gelesen, gespielt und geträumt werden konnte. Ich „durfte“ in den Sommerferien Schnecken und Raupen von Erdbeeren und Kohl sammeln, aber auch Stangenbohnen und Sauerkirschen pflücken und – besonders gern – mit der schweren Gießkanne allen Pflanzen Wasser spenden.
Und ich wünschte mir mein Leben lang (vergeblich) ein eigenes Beet!

In diesem Sommerparadies las ich denn auch über die Wunderwelt des Gartens bei „Gärtner Pötschke“ und begegnete erstmals den Büchern des Staudengottes Karl Foerster wie etwa seinen „Ferien vom Ach“ – und hatte also noch eine weitere Sehnsucht.

Viel (und einige Katzen und Kater) später für zehn Jahre im eigenen (Schreber-)Garten musste ich zwar keine Schnecken sammeln (ich hatte zum Glück keine), aber dafür erst mal eine Menge Erfahrungen und Erkenntnisse – in Kurzfassung:
Garten kostet manchmal viel Geld, macht immer Arbeit und meistens große Freude (und all das trifft auch auf Katzen zu)!
Und seit ich in Erfurt lebe (immerhin fast 50 Jahre), bin ich zumindest gartenmäßig von Inspirationen ebenso umzingelt wie von katzenliebenden Freunden.

Doch der bedeutendsten Erfurter Quelle gärtnerischer Weisheit begegnete ich schon als Kind, ohne meine künftige Nähe zu erahnen: Bereits kurz nach Gründung der inzwischen weltbekannten Internationalen Gartenbauausstellung bereiste meine Konditor-Oma (und erstaunlicherweise nicht der Garten-Opa) mit mir dieses Meisterwerk. Noch Jahre danach erinnerte mich eine Florinchenpuppe an diesen Ausflug – ohne allerdings zu ahnen, dass ich bald als Studentin und mehr noch darauf folgende Erfurter Einwohnerin die kleine Parkbibliothek, den opulenten Rosengarten, die anregenden Herbstausstellungen (mit den leckeren, unbewachten Apfelbergen – pssst!) und vieles andere mehr genussvoll zu schätzen lernen würde.
Ob die sogar im Winter (!) geöffneten und auch für anspruchsvolle Feste gut ausgestatteten Gaststätten oder die großen Kunstausstellungen (wie z. B. die Internationalen Quadriennalen des Kunsthandwerks), ob die Modenschauen auf dem Wasser und die Konzerte auf der Freilichtbühne, ob das Schmökern auf der Liegewiese zwischen duftenden Stauden oder ein Date im Café zwischen Riesenkakteen:
Die IGA war immer ein Sahnehäubchen auf dem Erfurter Alltag, mit dem man auch Besucher entzücken konnte – zuweilen erholsam still, dann wieder beeindruckend repräsentativ.

Dass die BUGA erst jetzt dieses unverwechselbare Kleinod der Welt ins Bewusstsein rückte, nimmt daher wahrlich Wunder!
Und dass dabei der Name Karl Foerster, dessen lebendige Auffassungen nicht nur im seinem Geist folgenden und nach ihm benannten Garten, sondern erkennbar für das gesamte Konzept entscheidende Inspirationen lieferte, endlich wieder den ihm gebührenden Platz einnimmt, freut mich als alten Foerster-Fan!
Und jawoll, Karl, das ist ein Befehl: ES WIRD DURCHGEBLÜHT!

Auch wenn derzeit nur noch über den Petersberg debattiert wird (was allerdings auch dringend vonnöten und längst überfällig ist) – das Herzstück, ohne das eine BUGA in Erfurt gar nicht möglich gewesen wäre, ist unsere gute alte MEGA-IGA-EGA!
Darum zum Jahresende und zugleich Jahresauftakt ein ihr gewidmeter kleiner Bilder-Salut, denn sie hat uns beispielhaft und für alle Sinne überzeugend spürbar gemacht, über welche Kräfte die Natur verfügt, wenn wir bedacht und lustvoll zugleich mit ihr umgehen.
Und das sollte doch Mut machen für Kommendes!

 

Wende dein Gesicht der Sonne zu,
so fallen die Schatten hinter dich!

(Afrikanisches Sprichwort)

Impressionen von der BUGA 2021 in Erfurt

Meine Neujahrskarte 2022