Klar und konsequent

Klar und konsequent

Ein Künstlerinnenleben: WINIFRED ZIELONKA

 

Sie hätte sich sehr gefreut, das Plakat zu ihrer Ausstellung im Angermuseum im Aufsteller vor dem Haus am Erfurter Anger zu sehen und den Werbeausleger mit einem ihrer Glasbilder als Motiv neben der stolzen Barockfassade. Denn von einer größeren Personalausstellung im renommierten Kunstmuseum ihrer Heimatstadt, begleitet von einem Katalog ihres Lebenswerkes, träumte sie seit langem; einige kleinere Ausstellungen z. B. im Haus Dacheröden und im Rathaus und eine Schenkung ausgewählter Blätter an das Museum vor einigen Jahren waren erste Schritte dorthin.
Doch sie hat nicht mehr davon erfahren: Die Würfel waren zwar bereits gefallen, die Idee zur Ausstellung allerdings noch nicht ganz spruchreif, als die Künstlerin Winifred Zielonka im August des vergangenen Jahres im Alter von 88 Jahren nach langer Leidenszeit die materielle Welt verließ.
Als eine der Personen, die ihr seit Jahren im Leben und in ihrem künstlerischen Wirken zur Seite standen, wie auch einige Texte auf dieser Webseite dokumentieren, wurde ich vom Angermuseum um einen Beitrag zum Katalog gebeten, den ich hier auf meiner Webseite mit Einverständnis des Museums Winifred Zielonka zum ehrenden Gedenken vorstellen möchte. Der Katalog erscheint erst bei Ausstellungsende.
So kann ein Medium, mit dem die Künstlerin nicht vertraut war, Menschen weit über die Grenzen unserer gemeinsamen Heimatstadt hinaus auf ihr stilles, doch nachhaltig eindrucksvolles Wirken aufmerksam machen und einen virtuellen Erinnerungsraum entstehen lassen, aus dem heraus auf der Spur der Worte die Bilder von Winifred Zielonka in die Welt hinaus leuchten.

ARCHITEKTURSTUDIEN

KATALOGTEXT

 

Klarheit und Konsequenz – Leben mit dem Licht

Winifred Zielonka zum Gedenken

 

Wenn man selbst älter wird, häufen sich die Erlebnisse, die uns mit noch Älteren verbinden, welche man mit wachsender Nähe und Intensität begleitet, häufig bis zu ihrem Lebensende. Zumeist gehören diese Menschen zur eigenen Familie, doch zuweilen sind es auch Menschen, die aus anderen Gründen unseren Lebensweg kreuzten und diesen so nachhaltig prägten, dass die Verbindung über viele Jahre hinweg Bestand hatte. Anlass waren oft berufliche Kontakte, manches Mal eher zufällig – nicht zufällig aber war dann sicherlich die entstandene innere Nähe. So geschah es mir – sicherlich nicht zufällig – vor über zehn Jahren anlässlich einer Vernissage in Gotha, die ich mit einer Laudatio begleiten durfte, so wie von diesem Tag an das Leben von Winifred Zielonka.

 

Vom ersten Tag an beeindruckte mich ihre offen praktizierte sehr individuelle Verknüpfung von Redlichkeit der persönlichen Lebensführung und Geradlinigkeit der künstlerischen Konzeption – ungeachtet aller erwartbaren politischen und gesellschaftlichen Konsequenzen.
Dabei empfand ich eine fast zerbrechlich anmutende transluzide bildnerische Handschrift, die zugleich traditionell und visionär, zunächst vorwiegend malerisch fließend und zunehmend auch technoid konstruktiv zu sein vermochte, vorgetragen jedoch von einer zwar zierlichen menschlichen Erscheinung, doch unübersehbar kämpferischen und stringenten Persönlichkeit voll starken Willens und unwiderstehlicher Durchsetzungsfähigkeit in künstlerischen ebenso wie in lebensgestaltenden Dingen. Eine solch produktive Verflechtung von doch nur scheinbaren Gegensätzen kann allerdings durch die dauerhafte Zusammenführung der Wesenszüge licht-leicht und kühl-klar in den Begriff der Transzendenz realisiert werden, die hohe Rationalität ebenso wie tiefe Emotionalität selbstverständlich als einander und alles vorantreibende Kräfte einschließt.
Ohne dass wir jemals so direkt die Sprache darauf bringen mussten, spürte ich, wie sich anthroposophische Ansichten und künstlerische Auffassungen völlig selbstverständlich in einer untrennbar miteinander verbundenen Welt- und Kunstsicht manifestierten.
Winifred Zielonkas Wohnung und zugleich Arbeitsraum – als Gesamtkunstwerk und veräußerlichte Fortsetzung ihres komplexen inneren Wesens, wie manche ähnliche Künstlerwohnung auch ebenso als Lebensskulptur gewachsen wie dieses – spiegelte einiges davon wider: Sachlich funktionale, doch sorgfältig gefertigte einfache Möbel, dominiert von über Jahre dicht mit Literatur- und Kunstbänden gefüllten Regalreihen, korrespondierten mit streng geordneten dicht an dicht gefügten Bildwänden und mit kleinen, schlichten, aber intensiv leuchtenden Bleiglasfenstern eigener Produktion ebenso eng behängten Fensterfronten – Winifred Zielonka lebte jeden Augenblick inmitten ihrer Arbeit wie auch in den Werken anderer und wurde dadurch unermüdlich zu Neuem angeregt und angetrieben. Dazu fügten sich eine Ausstattung mit originellen, teils selbstgefertigten kunsthandwerkliche Gegenständen und ein unverwechselbar persönlicher Kleidungsstil.

 

Aber der berühmt-berüchtigte Elfenbeinturm war auch dieses inspirierende Refugium nicht für sie: Energisch und selbstbewußt auf der einen Seite, nachdenklich und einfühlsam auf der anderen pflegte sie viele Kontakte und liebte das Gespräch über die Dinge des Lebens, hielt auch mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg. Aber ihre wichtigste Botschaft an die Menschen blieb für sie die Kunst. Seit 2003 konnte ich sechs ihrer zahlreichen Ausstellungen, vorwiegend die in Erfurt, mit Texten begleiten und in diesem Kontext auch die erste Übernahme einiger Arbeiten in die Sammlung des Angermuseums initiieren, und auch zwischendurch gab es immer wieder einen kleinen Kaffeeklatsch inmitten ihrer Kunstwelt – das Hauptthema waren selbstverständlich ihre Arbeiten, die ich immer wieder gründlich und aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten konnte. Dabei berührten mich besonders diejenigen, die sensible Naturbeobachtung über die innere Reflektion des sachlich Gesehenen und zugleich immer auch gefühlsmäßig Erlebten zu einer bei aller Verhaltenheit der Mittel unverwechselbar expressiven bildnerischen Botschaft ihrer Weltsicht führten – ungeachtet des Motivs, das unspektakulär schlicht sein konnte wie eine beinah abstrakt aufgefasste, aus fedrig leichten farbigen Schatten weich modulierte Wolkenformation oder ein behutsam aus Schraffurschleiern Schicht für Schicht aufgewachsener Gebirgszug, aber auch von kristalliner Strenge wie bei den immer häufiger werdenden genau analysierten und doch wesentlich fantasiegetragenen Auseinandersetzungen mit netzartig gerasterten architektonischen Strukturen – dieser fiktionale Schritt in Körperhaftigkeit und Räumlichkeit geschah vielleicht sogar als eine späte Reminiszenz an ihre nur kurzzeitig wirksam gewordene Bildhauerausbildung, die auch offensichtlich Einfluss auf die wenigen mit sparsamen, straffen Linien umrissenen Bildnisse zumeist ihr nahestehender Menschen nahm. Nahezu zwingend konsequent erschien mir dabei die handwerklich ausgereifte Nutzung der spezifischen Techniken von Pastell und Aquarell, die beide fordern, den hellen Bildgrund des Papiers stets als eigenen Wert zu respektieren und auf diese Weise die gesamte Fläche durch ein verhaltenes, aber konstantes inneres Licht erstrahlen zu lassen.
Sich im Zeichnen auszudrücken war Winifred Zielonka tägliches Bedürfnis, solange es die Kräfte zuließen. Aber auch die Kunst anderer bewegte sie, ohne dass Trends und Innovationen, wie sie seit jeher auch die Kunstwelt – irritierend und/oder inspirierend – durcheinanderwirbeln, sie vom einmal für Ihr Wollen als geeignet erkannten Weg grundsätzlich abbringen konnten – sie arbeitete im ursprünglichen Sinn traditionell und modern zugleich und also zeitlos individuell.
Diese lichtdurchdrungene Zeitlosigkeit manifestierte sich wohl nicht zufällig auch in einer vielgestaltigen Sammlung schimmernder Achatscheiben, die unter rauhäutiger Härte scheinbar sanft miteinander verschmelzende Farbschichten schützend verbergen – geschaffen von gewaltigen Kräften über und für Zeiträume, die mit menschlichen Maßen nicht wirklich fassbar sind. Vielleicht verband die Künstlerin damit die Hoffnung auf Dauerhaftigkeit auch des von ihr selbst Geschaffenen; die Bewahrung ihres Nachlasses im Angermuseum und der avisierte Katalog, den sie sich wünschte, vermögen dazu beizutragen.

Dr. Jutta Lindemann
Erfurt, Dezember 2017

GLASBILDER
ABSTRAKTIONEN
LANDSCHAFTEN + MENSCHEN

→ Einladung zur Ausstellung im Angermuseum
→ Faltblatt zur Ausstellung
→ Website Angermuseum Erfurt
→ Laudatio Ausstellung 2004 Winifred Zielonka
→ Laudatio Ausstellung 2006 Almut & Winifred Zielonka

 

Alle Werke Angermuseum Erfurt und Nachlass Winifred Zielonka © Angermuseum Erfurt
Bilddateien nach Dias von Th. M. Franke aus dem Nachlass Winifred Zielonka