Die Lust am Sehen ist es, die alle miteinander verbindet, die sich der Arbeit mit Stift, Pinsel oder Fotoapparat verschrieben haben – und da ist es zunächst ganz gleich, ob eine professionelle Ausbildung und über ausgeprägte künstlerische Handschrift sich dieser Lust zugesellt und die Ergebnisse auf dem Papier angemessen qualifiziert oder nicht.
Wichtig ist zuallererst liebevolle Zugewandtheit und Aufmerksamkeit für die Dinge des Lebens, für alles, was uns das Licht in jedem Augenblick, mit jedem Wimpernschlag in unermesslicher, überwältigender und auch mit Hilfe der Kunst kaum zu fassender Schönheit eröffnet.
Diese Begeisterung reißt auch Heerscharen von Laien immer wieder mit, ihre intensiven Erlebnisse im Bild festzuhalten, sie erarbeiten sich die Mittel und Handhabung geeigneter Werkzeuge oft allein oder in Gruppen Gleichgesinnter mit mehr oder weniger prägender Anleitung. Fast immer jedoch ist eine grundlegende, fachlich fundierte Ausbildung erforderlich, um – wenn gewollt – den Sprung heraus aus der Vielzahl engagierter Laien zu anspruchsvoller künstlerischer Qualität zu schaffen. Doch vielen genügt auch einfach die Freude am bildnerischen Tun, ohne den Anspruch zu erleben, künstlerische Höchstleistungen zu erreichen – die Freude am Augenblick des beim Zeichnen und Malen spürbar bewussteren und intensiveren Erlebens der umgebenden Welt. Und genau dazu sollen Ausstellungen von Laienarbeiten auch immer wieder anregen, genau deshalb sind die zahlreichen Zirkel und Arbeitsgemeinschaften unersetzlich.
Karin Tröber, die sich in dieser Ausstellung mit einer Auswahl der bisherigen Ergebnissen aus den letzten 10 Jahren vorstellt und deren Stilleben, Blumenbilder und Landschaftsstudien vorwiegend aus ihrer thüringischen Heimat offensichtlich getragen sind von einer intensiven Liebe zur Natur, befindet sich auf der langen und mühsamen Suche nach individuellen und unverwechselbaren bildnerischen Positionen, die Basis für eine komplexe künstlerische Weltsicht werden könnten und ständige kritische Selbstbefragung und Analyse des Erreichten ebenso voraussetzen wie eine Orientierung am Besten, was die Kunst in diesen Genres hergebracht hat.
Sie kommt auf diesem Weg ihrem Ziel immer dann näher, wenn – wie etwa in den Rosenstilleben – die Zeichnung hinter die experimentelle Auseinandersetzung mit den besonderen Möglichkeiten des Aquarells zurücktritt, die insgesamt durchaus noch weiter ausgeschöpft werden können, oder wenn – wie etwa in der „Landschaft bei Lanzarote (2)“ – eine strenge, klare und markante Komposition den Charakter des Bildes trägt.
Weiteres unentwegtes Arbeiten vor der Natur, aber auch an den zeichnerischen Fähigkeiten, an den Potenzen dieser besonderen Technik, am riesigen Ausdrucksspektrum der Bild- und Farbkomposition werden Karin Tröber auch künftig noch weiter auf ihrem Weg voranbringen.
Ein Zitat aus der Laudatio für den Aquarellmaler Manfred Aurich charakterisiert Spezifisches dieses Genres:
Im Aquarell verbinden sich Entschiedenheit mit Unbestimmtheit, klare Konturen und Kontraste mit weich verfließender Tonigkeit. Den faserigen Säumen der vom feuchten Fond aufgesaugten Farbflächen stehen auf trockenem Papier glashart gezogene Kanten gegenüber. Und auf dem Weiß des körnigen Aquarellpapiers tritt aus einer eher verhaltenen Grundfarbigkeit die spezielle Leuchtkraft der transluziden Aquarellfarben vor allem als Akzent bezwingend kraftvoll hervor – auch deshalb, weil der Farbfleck des Aquarells, entstehend aus sich sichtbar im Wasser lösenden Pigmenten, von unübertroffener Plastizität und Tiefe ist.
Eine ganz besondere Rolle spielt darüber hinaus noch vor dem ersten Pinselstrich das für Aquarell charakteristische genau überlegte Aussparen des weißen Grundes, der hier funkenartig aufblitzt und dort großflächig strahlend hervorleuchtet. Deshalb aber muss das Bild gewissermaßen von unten nach oben oder von hinten nach vorn aufgebaut werden, es wächst vom Blatt Schicht über Schicht erkennbar auf uns zu. Wer aquarelliert, verfolgt daher konsequent – denn nachträgliche Korrekturen sind nicht möglich – ein klares Bildkonzept, das ihm jedoch zugleich spielerisch-experimentelle Seitensprünge nicht nur erlaubt, sondern sogar abverlangt. Daraus entsteht eine unverwechselbare bildnerische Spannung zwischen malerisch-mystischer Ambivalenz der sanft farbig modulierten in- und übereinander fließenden Farbflächen einerseits und rationaler Beherrschtheit der grafischen Linienstruktur zum anderen.
Manfred Wenzeck fotografiert seit nunmehr fast 50 Jahren und hat sich schrittweise vom Festhalten zufälliger Momente bis hin zum bewussten Gestalten einer unverwechselbaren bildnerischen Interpretation des Gesehenen seinen Weg gebahnt.
Dabei ist ihm trotz der heutigen brillanten Möglichkeiten der Farbfotografie das grafisch Entschiedene von Schwarzweiss-Bildern, mit denen er jahrzehntelange Erfahrungen gesammelt hat, noch immer adäquates Mittel, um beispielsweise von aus tiefstem Herzen, doch auch mit aller gebotenen Härte Menschen zu porträtieren.
Immer befindet er sich mit seinem Gegenüber Auge in Auge im Blickkontakt. Ob Bergbauer aus Caradice, Eichhörnchen im Geäst oder Sonnenblume frontal vor der Linse – es ist immer eine intensive, oft fast hautnahe Begegnung, sogar mit einer scheinbar weit entfernten Landschaft, denn immer entdeckt er mit uns gemeinsam durch den Sucher der Kamera das Wesen des Motivs in seiner Gesamtheit und im Detail und legt so für den aufmerksamen Beobachter seinen Charakter bloß.
Anders als der Zeichner und Maler kann der sich auf klassische Traditionen berufende Fotograf nichts von dem, was im Augenblick des Auslösens der Automatik von seinem Objektiv erfasst wird, verändern. Seine Ausdrucksmittel beschränken sich auf Motivwahl, Bildausschnitt und dadurch entstehende Komposition und eventuelle Verstärkung oder Verringerung von Farb- oder Helldunkelkontrasten bei der Entwicklung oder Computerbearbeitung, bieten aber auch die Möglichkeit der charakterstarken Bewegungsspuren bei Langzeitbelichtungen. Umso höher ist seine Verantwortung gerade in diesem Bereichen, denn er muss bereits vor Ort gestalterische Kenntnisse und Erfahrungen einsetzen, um die gewünschte Wirkung zu erreichen: Proportionen und Maßverhältnisse der Flächen, Charakter und Richtungen von Linien, Ausdruck von Texturen, Strukturen, Farben und Formen müssen blitzschnell erkannt und sofort ins Bild gebannt werden – denn wie flüchtig ist oft der Augenblick des Erlebnisses einer Situation, eines unwiederbringlichen Lichteinfalls etwa zwischen zwei Lidschlägen und vor dem Klicken des Auslösers!
Die hier vorgestellte Auswahl aus einer sicherlich kaum noch überschaubaren Sammlung beweist, dass Manfred Wenzeck über die vielen Jahre seiner Jagd mit der Kamera genau dieses von einer spezifischen Ästhetik der Fotografie getragene Gespür für den besonderen, einmaligen Moment, das in der Natur vorhandene Bild, das nach Albrecht Dürer herauszureissen auch der Fotograf vermag, entwickelt hat.
Über diesen ästhetischen Bilder-Blick verbindet der Fotograf Menschen und Orte der ganzen Welt – den See von Alphabia mit dem Stausee Friemar mit ihren verwandten Spiegel-Licht-Effekten, die funkelnde Skyline von San Francisco mit den glitzernden Gräsern im Morgenlicht irgendwo auf dieser schönen Erde, das knorrige Wurzelwerk eines verwitternden Baumstumpfes mit dem vom Leben gezeichneten Körper eines alternden Menschen.
Ob Stift und Pinsel oder Fotoapparat – auf den geschulten liebe- und zugleich ehrfurchtsvollen, manchmal aber auch kritischen Blick kommt es zuallererst an, will man mit Hilfe der Kunst dem Leben seine Reverenz erweisen und auch andere durch die Betrachtung der Resultate auf diese Spur bringen – gepaart mit ästhetisch getragener Welterfahrung und künstlerisch solidem Handwerk.
Und es erfordert Mut und Selbstbewusstsein, sich mit Ergebnissen seiner Bildwanderungen der Öffentlichkeit zu stellen – dafür und für die Ermutigung anderer zur unermüdlichen bildnerischen Auseinandersetzung mit den großen und kleinen Dingen des Lebens sei auch und unbedingt allen Beteiligten Dank gesagt!
Erfurt, 22.09.2009 | Dr. Jutta Lindemann