26 Jun PANTA RHEI oder: Wo viel Licht ist, ist starker Schatten
Sprüche mit hoher Halbwertzeit stammen, zumal in Thüringen, meist vom Altmeister aus Weimar – so auch hier der zweite (getan lt. JWvG ausgerechnet vom legendären Götz von Berlichingen: Honi soit qui mal y pense!). Der erste – ein ebenfalls unverwüstlicher Klassiker – floss einst aus der Feder von Heraklit aus Ephesos (520 – 460 v. Chr.).
Und leider sind auch diese beiden Sätze mal wieder ziemlich aktuell, blickt man auf das Geschehen rund um das (ehemals) grüne Herz des Weimarer Vorortes Erfurt, die mindestens so altehrwürdige Krämerbrücke. Alt? Zweifellos. Aber ehrwürdig? Da kommt man jüngst ins Grübeln, denn … siehe oben.
Da schwebte die Seele der Brückenbewohner und -besucher just zum jüngsten und 40. Krämerbrückenfest wie verzaubert mit dem sehnsuchtsblauen Textilstrom aus der Ideenwerkstatt der Bühnendesignerin und Brückenbewohnerin Susanne Besser hoch oben zwischen den Brückendächern dahin – und stolperte im nächsten Augenblick über harte Pflastersteine rund um drei modisch glattgelutschte und karg bepflanzte Riesen-Nierentische in wuchtigen blaugrauen Betonreifen auf der einen Seite der Brücke, um wenig später mit düster ins Auge springenden Todesurteilen für die beeindruckenden Baumriesen auf der anderen Seite konfrontiert zu werden.
Nordseits wurden solche Urteile bereits vollstreckt – auch um Platz zu schaffen für einen neuen Truppenübungsplatz der Feuerwehr auf der ehemals idyllischen Breitstrominsel, nunmehr umweht vom rauen Charme des Gestaltlosen.
Aber während die himmelblaue Harmonie über der Brücke wie manche Illusion längst wieder im Fluss der aktuellen Stadtgeschichte untergegangen ist (eine eventuelle temporäre Renaissance des Projekts anlässlich der Woche des offenen Denkmals im September würde letztlich nur dessen Vergänglichkeit bekräftigen), schafft die Stadtpolitik am Boden der Realität mit Sägen, Steinen und Beton rings um das magische Areal deutlich Dauerhafteres – ohne nur das geringste Gespür für die Historizität des Ortes in Nachbarschaft zu einer der ältesten Mikwen Deutschlands (deren sachlich-zurückhaltende Umfeld-Gestaltung den rotierenden Beton-Ringen am anderen Ufer mühsam Paroli bietet) und die Furt der alten Handelsstraße Via Regia, ursprünglich geprägt von der dichten geometrischen Struktur der mittelalterlichen Bebauung, die von der vorherigen Ufergestaltung spielerisch gespiegelt wurde.
Und damit ist der Feldzug von Stein und Beton gegen Baum- und Bodengrün noch nicht zuende, denn wie aus gewöhnlich gut informierten Kreisen verlautet (nämlich die Bürgerinitiative Stadtbäume statt Leerräume, aber nicht etwa die Anwohner z. B. durch eine Bürgerinformation!), wird es gen Norden weitergehen: Das künftige Grab der ebenfalls schon zum Sägetod verurteilten schönen alten Pappel an der Horngasse soll – angeblich zugunsten einer (bereits vorhandenen!) Barrierefreiheit – ebenfalls flächendeckend mit diesem gegenüber von Rasen wirklich pflegeleichten Belag versiegelt werden.
Hat etwa in der Stadtverwaltung jemand einen Steinbruch und/oder eine Betonfabrik geerbt?
Da bleibt uns Anwohnern wohl künftig nur noch, Brillen mit grünen Gläsern zu tragen – vielleicht gibt’s dafür ja einen Zuschuss von der Bauverwaltung – z. B. aus den gesparten Millionen, falls das Brückenkonzept auf der Südseite denn doch – auch gegen den Bürgerwillen – durchgeboxt werden sollte … Ach was – panta rhei! In hundert Jahren klappert kein Silberreiher mehr danach, wenn er auf riesigen Götterbäumen am grünen Gera-Ufer sein Nest baut!
P.S.:
Selbst der größte Unsinn kann noch inspirierend sein: Meine aktuelle Digitalgrafik-Gruppe unter dem Titel „City Map Ice Cube“ (Bilder/Träume) zeigt mit Eiswürfelbruch gepflasterte Wege hinaus in eine ungebärdig bunte Welt bis dahin, wo jegliches Menschenwerk letztlich vom wahren wilden Leben überwuchert wird. Ich weiß nicht, was soll es bedeuten …
Na, so ein Zufall aber auch!