Schmuck 2004 – Zwischenspiel

Ausstellung Arbeitsergebnisse des Schmucksymposiumprojektes 2004 „Zwischenspiel“

Vernissage im Haus Krönbacken am 17.09.2004

Dank an die Beteiligten, Studierende oder auch bereits Lehrende aus den USA, Portugal, der Schweiz und Deutschland:

 

– Heike Gruber, derzeit an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg,

– Nicole Hanselle von der Fachhochschule für Gestaltung Düsseldorf,

– Stefanie Klemp, Fachhochschule Trier/ FB Edelstein- und Schmuckdesign Idar-Oberstein,

– Beate Klockmann und Julika Müller, beide an der HS für Gestaltung Burg Giebichenstein Halle/Saale,

– Shari Pierce und Pedro Sequeira, beide an der Akademie der Bildenden Künste München,

– Eilean Somnitz, ebenso Fachhochschule Düsseldorf,

– Claudia Stebler, an der Fachhochschule für Gestaltung Pforzheim

und natürlich – last but not least – die drei Projektleiter und alten Haudegen des Erfurter Schmucksymposiums Uta Feiler, Bernhard Früh und Rolf Lindner.

 

Nach nunmehr 20 Jahren und 10 Symposien fanden sie, es sei Zeit für ein kleines Intermezzo, ein Zwischenspiel, wie es in der Musik zwei unterschiedliche Teile ein und desselben Stückes verbindet, indem es Elemente von beiden verschmilzt und doch ganz eigenständig ist – nur mit dem Unterschied, dass der Komponist dabei meist schon weiß, wie der zweite Teil aussieht. Hier aber ist alles ergebnisoffen, das Jubiläumsjahr ist zugleich das Jahr der Wende, und wie das mit solchen Jahren ist: Der Weg ist gleichermaßen mit Hoffnungen und Zweifeln gepflastert und führt zunächst ins Ungewisse. Dass es keine Sackgasse wird, hängt von uns allen ab.

 

Doch „Zwischenspiel“ hätte eigentlich jedes der Symposien heißen können, den genau das bedeutet es im Grunde für jeden, der sich darauf einläßt, den heimischen Herd respektive die vertraute Werkstatt samt Kaffeekanne und Computer einzutauschen gegen das Risiko eines zweiwöchigen Abenteuerurlaubs im Erfurter Norden, in einem Domizil mit ausgeprägt nostalgiegeschwängertem DDR-Charme (zumindest Kaffee gibt’s allerdings auch), umgeben von heftig beschäftigten, umtriebigen Menschen beiderlei Geschlechts mit gegensätzlichsten Auffassungen und Arbeitsmethoden, die womöglich noch spät nachts mit Lötlampen oder Bohrmaschinen herumrumoren – zwischen Brennöfen und Bunsenbrennern und anderen anregenden Einrichtungsgegenständen mit hohem Gemütlichkeitsfaktor, inmitten von Haufen aus Holzklötzchen, Blechstreifen und Blattgold, Papierfetzen, Draht- und Garnrollen, Gummilappen und Glassplittern, Geldstücken, Federn und Farben, bewaffnet mit Sägen, Zangen, Hämmern, Scheren und zuweilen auch mit frisch gespitzten Bleistiften, viel Enthusiasmus und wenig Knete, befaßt mit Falten, Rollen, Schneiden, Kleben, spezialisiert auf Biegen, Brechen und Brennen, gelegentlich geplagt von der Gier nach Bier und alsbald dann auch – in Erfurt unvermeidlich – nach Bratwurst und Klößen – das Ganze dann mindestens zwei Wochen lang, und dabei soll auch noch etwas herauskommen, das man anderen Menschen vor die neugierige Nase halten kann, ohne vor Scham tot umzufallen! (Puh! Thomas Mann lässt grüßen!)

 

Aber man sollte es nicht glauben: Das Experiment gelingt immer wieder, und wie die Alten sungen, so zwitschern nun die Jungen! Heureka, sie können es! Man braucht wahrlich nicht bange zu sein um die Schmuckszene in deutschen Landen!

Und siehe, es wirkt wie in alten Zeiten ungebrochen der Zauber des Symposiums: Wieder ist es so, dass die einen mit fertigen Konzepten kommen und es doch zulassen, dass sie sich durch die Impulse des Ortes und der Menschen allmählich verwandeln oder abrupt ganz über den Haufen geworfen werden. Andere lassen sich überraschen, überwältigen, überrumpeln vom Genius loci, und prompt tritt des Wunder ein und die Inspirationen purzeln zur Tür herein.

 

Und wieder sind am allerwichtigsten die Gespräche zwischen funkensprühender Reibung und dem Gleichklang wachsender Übereinstimmung. Lehrmeinungen prallen aufeinander, Temperamente, Lebenspositionen, Schock und Spaß des gnadenlosen Miteinanders lassen sich immer wieder wenigstens befristet mit kleinen Klausuren am Brennofen oder Bunsenbrenner kompensieren.

 

Und am Ende sind da Heike und Nicole und Stefanie und Beate und Julika und Shari und Pedro und Eilean und Claudia und haben zusammen zu guter Letzt tatsächlich auch noch etwas Gemeinsames zuwege gebracht, das man getrost eine spannende Ausstellung nennen kann, die neugierig macht auf den nächsten Teil nach dem Intermezzo, denn was wir da zumeist brav in Vitrinen liegen sehen (an Hals, Brust oder Finger kann man es sich mit etwas Fanatsie schon selbst vorstellen), ist ja eigentlich kein Abschluß, sondern erst der Anfang von etwas, es sind materialisierte Konzepte, die Inkarnation von Ideen, sozusagen frei nach Marx der Geist, der zur materiellen Gewalt wird, wenn er die Massen ergreift, und er wird sie ergreifen, das zeigen die Keimlinge in den Vitrinen, die vor Neugier auf das Künftige zu zappeln scheinen – ohne Rücksicht auf Grenzen von Genres, Techniken und Funktionen oder auf Tabus an Gedanken, Formen, Zeichen, Bildern. Schmuck darf alles, kann alles, soll alles – und die Jungen wollen alles, und das sofort. Und zumindest für die Dauer eines solchen Symposiums klappt das sogar und macht Mut für alles Kommende, Mut zum Tabubruch, zur Grenzüberschreitung, zur Rücksichtslosigkeit, wenn das alles der Kunst dienlich ist. Und so entdecken wir nicht nur Ringe, Broschen Ketten, die einfach nur schön sind oder auch witzig – durch Kunst, sondern auch Uhren, die keine Zeit haben – durch Kunst; und Nadeln – sieh an! – sind Löffel sind Spaten sind Speere – durch Kunst, Edles berührt Derbes, und es adelt sich gegenseitig – durch Kunst, der profane Cent entrollt nicht ganz freiwillig sein Herzstück – durch Kunst: der Apfel verliert seine Kerne, doch gerade im Verlust liegt der Gewinn – durch Kunst; und ward eine Scheibe jemals schöner zertrümmert als – durch Kunst?

 

Und wie immer passiert es schließlich: Bei alldem vergessen die Abenteurer das Woher über dem Wohin und werfen alle guten Schulsitten und wohl erlernten Goldschmiedebräuche über Bord, und das ist auch gut und richtig so, denn Symposium heißt Ausnahmezustand.

 

Und was bleibt noch zu sagen, nun, da das Zwischenspiel vorbei ist?

Ganz einfach – der Tagesbefehl lautet knapp und unwiderruflich:

Danke! Weitermachen!

 

Erfurt, 16.09.2004 | Dr. Jutta Lindemann